Resilienz durch Redundanzsteuerung
Der Erfolg der Globalisierung hat gezeigt, wie betriebswirtschaftlich perfektioniert die Lieferketten globaler Produkte und Dienstleistungen geworden sind. Immer länger, immer vernetzter und dadurch immer fragiler ist die Kette der globalen Wertschöpfung geworden.
Das Poloshirt aus Bangladesch ist günstiger im Handel als das Poloshirt aus Burladingen. Das liegt an der günstigen Fertigung, da die Kompetenz der Textilfabrik gleichzeitig von mehreren Herstellern eingekauft wird. Der Transport ist rationalisiert und die Transportkosten werden auf mehrere Kunden aufgeteilt. Kostenteilung und Wiederverwendung durch mehrere Kunden setzen Standardisierung und friktionsfreie Übergange zwischen den Prozessschritten voraus um den Gewinn zu maximieren. Diese Abhängigkeit der Schritte voneinander macht die Lieferkette anfällig für Störungen, also weniger robust. Im Vergleich dazu ist das Poloshirt aus Burladingen teurer in der Herstellung, aber mit weniger Abhängigkeiten in den Teilprozessen zu Dienstleistern verbunden. Dadurch ist die Fertigung des Poloshirts aus Burladingen robuster.
Die Tragik der Situation liegt im Spannungsfeld zwischen dem wirtschaftlichen Erfolg der Globalisierung einerseits und der gleichzeitigen Verletzlichkeit durch die Globalisierung andererseits.
Vielen Menschen geht es durch die Globalisierung besser. Das gilt jedoch nur solange, wie sich jedes Zahnrad im Getriebe der globalen Lieferketten richtig dreht. Wenn nur ein Element in der Lieferkette fehlt oder sich nicht wie erwartet bewegt, dann ruckelt die ganze Maschine und bleibt sogar stehen. Da es immer gut lief, gibt es keinen Plan B oder Ersatzlieferketten. Diese Abhängigkeit von der einen globalen Vernetzung zeigt uns mit einem Mal unsere eigene Verletzlichkeit und das sorgt für Unsicherheit.
Solche Spannungsfelder finden sich in vielen Lebenslagen wieder:
Zentralisierung der IT aus betriebswirtschaftlichen Gründen spart kurzfristig Kosten. Aber im Fall eines Problems in den zuvor zentralisierten Komponenten spürt man dann die schmerzhaften Auswirkungen auf alle Systeme, die davon abhängen.
Zusammenlegung von Aufgaben in sogenannte Back-Offices führt zu Einsparungen aufgrund von Synergien. Viele Mitarbeiter, die ähnliche Aufgaben erfüllen, können bei organisatorischer Zusammenlegung einfacher Lastspitzen ausgleichen und Engpässe kompensieren.
Bei Umstrukturierung fallen oft Stellen weg, ohne die Aufgaben zu hinterfragen. Das führt dazu, dass Vertreterregelungen nicht mehr greifen, da dieselbe Menge an Aufgaben auf weniger Köpfe verteilt wird. Wie kann man das Spannungsfeld auflösen?
Redundanzen sind oft notwendig. Um Sicherheit, Risikominimierung und Resilienz bei Ausfällen zu stärken.
Künftig müssen Unternehmen dafür sorgen, dass Sie widerstandsfähiger sind.
Die Dominanz der kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Sicht muss einer langfristigen ganzheitlichen Betrachtung weichen, in der auch Widerstandsfähigkeit als wichtige Eigenschaft gilt.
Wie kann man dabei vorgehen:
Anstatt, wie bisher, Redundanzen zu eliminieren, gilt es wichtiger Redundanzen zu steuern.
- Den Bedarf an Redundanzen identifizieren, zum Beispiel unter Zuhilfenahme bestehender Methoden aus dem Risikomanagement.
- Vorhandene Redundanzen identifizieren und abgleichen mit den sinnvollen Redundanzen.
- Fehlende Redundanzen implementieren und überflüssige Redundanzen nur dann eliminieren, wenn sie ein Risiko darstellen.
Das Steuern von Redundanzen im Spannungsfeld von völliger Redundanzfreiheit und vollständiger Doppelung aller Schritte in der Wertschöpfung ist eine ständige und sich immer wandelnde Herausforderung. Den richtigen Punkt wird man nie finden, da sich im Augenblick des Findens die Rahmenbedingungen schon wieder so verändert haben, dass sich Punkt neu gesucht werden muss.
One Response
[…] Innerhalb einer IT-Organisation ist ein weiteres Beispiel für den Zyklus des Parmenides die erhöhte Standardisierung und die damit verbundene Einführung von zentralen Standardisierungsabteilungen. Sobald diese Standards zu feingranular werden, folgt zwangsläufig ein Effizienzverlust und dann eine erhöhte Spannung zwischen den zentralen und dezentralen IT-Abteilungen. Dieses Dilemma hatte ich vor einigen Jahren bereits in einem Blog-Beitrag zu Resilienz durch Redundanz beschrieben (Siehe unter http://www.bertramgeck.de/?p=253) […]