Veränderungsbedarf in großen Organisationen erkennen und nutzen
Große Organisation durchlaufen im Abstand mehrer Jahre Umorganisationen. Ich hatte das bereits in dem Blogbeitrag „Der Zyklus des Parmenides“ erwähnt.
Ich beziehe mich in diesem Beitrag nur auf große Organisationen mit mehrstufigen Hierarchien, also mit Organisationen die sich in Abteilung gliedern, die sich wieder in Unterabteilungen gliedern und so weiter. Wenn eine derartige Ablauforganisation mit Abteilungen und Unterabteilungen mehrere Jahre besteht, optimiert sich jede der Abteilungen im Laufe der Zeit zu einer hocheffizienten Einheit.
Eigentlich sollte die Summe der Ziele aller Einheiten die Erreichung des Unternehmensziel sicherstellen, zum Beispiel der Bereitstellung von Produkten oder Dienstleistungen.
Interessanterweise kommt es manchmal vor, dass zwar jede beteiligte Abteilung ihre Aufgabe erledigt hat, aber das Kundenanliegen oder der Service nicht immer bereitgestellt wurde. Also wurde das eigentlich Ziel des Unternehmen nicht erreicht obwohl jede beteiligte Abteilung ihre individuellen Ziele erreicht.
Die Abteilungen sind zu einem Selbstzweck geworden.
Dieser schleichende Prozess in jeder noch so starken Organisation ist darauf zurückzuführen, dass sich jede Abteilung optimiert und ihre Leistungsfähigkeit stärkt, nur leider nicht für das direkte Kundenanliegen, sondern für die Abteilungsziele. Damit findet eine versteckte und oft nur schwer erkennbare Verkrustung statt, die über die Zeit immer stärker wird.
Je stärker die Verkrustung desto weniger Anteile der organisationsweit verfügbaren Energien fliessen in den Kundenservice, und umso mehr fliesst in organisationsinterne Ergebnisse oder Effekte ausserhalb der Kundennutzens.
Bemerkenswert an dieser Situation ist, dass alle Mitarbeiter und Führungskräfte viel Energie in der besten Absicht investieren und im Sinne der Abteilungsziele hoch effizient arbeiten. Alle sind von dem Sinn ihrer Aufgabe überzeugt, nur leider kommt das Ergebnis nicht vollständig beim Kunden an.
Um diesem Dilemma zu begegnen gibt es viel Wege, eine davon ist die Umorganisation. Hierbei sind einige Kernprinzipien zu berücksichtigen:
Ausrichtigung der Organisation anhand von Services und Produkten
Ein Produkt oder Service liegt in einer Verantwortung, der sogenannten Wertschöpfungseinheit. Alle Querschnittfunktionen, wie Support, FInanzen oder andere Dienstleistungen sollten so schlank wie möglich gehalten werden und besser in den Service/Produkteinheiten liegen. Ob es die Verantwortung auf einer Person oder einer Gruppe von Personen liegt, ist dabei nachrangig, solange die Verantwortung für die gesammte Wertschöpfungskette, inklusive der Zuarbeiten möglicher Querschnittsorganisationen, gebündelt in einer Hand liegt. Am Ende der Organisationsgestaltung steht die Nominierung der Verantwortlichkeiten und Führungen, die sich auf die Stellen bewerben können. Damit ist eine hohe Motivation und Eigenverantwortung verbunden, die so schon ab Beginn Wirkung entfalten kann. Die Eigenverantwortung geht wiederum einher mit der Hoheit über die Priorität von wirtschaftlicher und kundenzentrierter Orientierung. Dies leitet zum nächsten Prinzip der gesteuerten Redundanz über.
https://www.kobaltblau.de/de/journal/studie-it-organisation-2020-digitale-transformation
Kundenzufriedenheit geht vor Wirtschaftlichkeit
Das bedeutet nicht, dass jede Redundanz hingenommen wird, vielmehr muß Redundanz gesteuert werden. Dafür muss sich die Organisation darauf einlassen, immer wieder die Balance zwischen Wirtschaftlichkeit und Kundenzufriedenheit zu finden. Bei manchen Aufgaben macht es Sinn, diese als Kompetenzzentrum oder Abteilung bestehen zu lassen, aber die Spannung zwischen dezentraler und zentraler Verantwortung, sowie zwischen dezentraler oder zentraler Durchführung muß immer wieder austariert werden.
Reduktion von Governance auf ein Minimum.
Es ist besser Kreativität und Kreation durch Eigenverantwortung zu fördern als Selbstständigkeit durch Kontrolle zu verhindern. Kontrolle erfolgt bevorzugt in den einzelnen Wertschöpfungseinheiten und nicht zwingend in Kontrolleinheiten, die als Querschnitte neben der Wertschöpfungsseinheit liegen. Die Balance zwischen Kontrolle durch die eigenen Wertschöpfungseinheit und Kontrolle durch eine Querschnittsfunktion wählt der Verantwortliche für die Wertschöpfseinheit selber aus. Er muss abwägen, wieviel Qualitätskontrolle er als Dienstleistung einkauft oder wieviel seine Organisation selbst leisten kann. Das Subsidiaritätsprinzip muß immer wieder auf den Prüfstein gelegt werden und auf Einsetzbarkeit mit der Organisation evaluiert werden.
Häufige Evaluierung der Ziele
Regelmäßige unterjährige Evaluierung der Ziele und Aufgaben ist erforderlich. Dies kann zum Beispiel anhand der OKR Methodik erfolgen.
Als Werkzeug daneben haben sich strategische oder IT-Roadmaps bewährt, die dabei helfen die Sprache der Gesamtorganisation zu harmonisieren.
Wandel von innen heraus
Das Change-Management sollte möglichst aus der Organisation selbst heraus erfolgen. Dazu können zwar methodische Kompetenzen eingekauft werden, aber authentisch, zielführend und effizient erfolgt der Wandel, wenn er über ein Change-Management-Team der eigenen Organisation gestützt und begleitet wird. Siehe auch: https://www.ey.com/de_de/workforce/wandel-in-der-eigenen-organisation-so-klappts
Man sieht, es gibt eine Menge Verantwortung und Gestaltungsspielräume, die nur eine Voraussetzung haben: Nur wenn sich die ganze Organisation für das Unternehmensziel verantwortlich fühlt und bereit ist, die Perspektiven der anderen Einheiten wahrzunehmen und zu verstehen.