BA-IT vs. Kleiderschrank

Was hat ein Kleiderschrank mit der IT der Bundesagentur für Arbeit gemeinsam ?
Auf den ersten Blick nichts, aber die Metapher hilft mir oft eine organistorische Transformation zu beschreiben, die die BA-IT hinter sich hat. In diesem Text beziehe ich mich meist auf spezifische Aspekte des Online-Portals.

Dabei teile ich das Thema in fünf Kapitel auf:
1. Der Split zwischen Online und Backend Verantwortung
2. Der Umstieg zur ganzheitlichen Produktorientierung
3. Die Einbettung in die BA-Strategie
4. Neue Liefermodelle und Bügelstangen
5. Housekeeping und Ausmisten

1. Ausgangslage: Die Erneuerung des BA-Portals

Bis 2018 war das Online-Angebot der Bundesagentur für Arbeit bereits vielfältig ausgebaut, vielfältig waren jedoch auch die Plattformen, Designs und Benutzerführungen.

Seit 2018 ist das Online-Portal der BA als moderne Umsetzung von den Online-Angeboten in einem homogenen Erscheinungsbild und einheitlicher Nutzerführung verfügbar.
Was dabei unter der Haube modernisiert wurde, ist die Struktur in sogenannte Produkt-Vertikalen und die Festlegung einer Governance durch eine Portal-Makroarchitektur. Als Produktvertikale bezeichnet man ein autarkes Online-Angebot, wie zum Beispiel eine Geldleistung oder ein Informationsangebot, welches in den Portalrahmen eingehängt wird, so wie ein Hemd mit Bügel in einen Schrank gehängt wird. Die Portal-Makroarchitektur gibt die fachlichen und technischen Leitplanken für diese Produktvertikalen und den gesamten Portalrahmen vor.
Das hat den Vorteil, dass die betroffenen fachlichen Inhalte gemeinsam je Vertikale autark definiert werden konnten. Das war schon ein großer Schritt in Richtung Produktorientierung. Aber noch nicht ausreichend für eine interdisziplinäre Ende-zu-Ende Produktverantwortung. Das lag an zwei Gründen:

1. Die Verantwortung lag noch vollumfänglich in der Hand der IT und alle Online-Anteile der diversen Produkte lagen gebündelt in einer Teilorganisation in der IT. Der Fachbereich kann zwar Anforderungen stellen, aber die Definition, was umzusetzen ist, wie die  Prozesse aussehen, lag in der Hand der IT, der Online-Programm-Organisation als verantwortliche Umsetzungseinheit über alle Online-Produkte.
2. Durch die Bündelung aller Produkte des Online-Prozesses und der organisatorischen Trennung der zur Abarbeitung erforderlichen Backend-Prozesse blieb die Ende-zu-Ende Verantwortung schwierig. Denn die Trennung von Online und Backend eines Produktes führt zu Mehraufwänden, um die Friktionen in einer Ende-zu-Ende Verantwortung eines Produktes zu reduzieren. Das bestätigte schon Conways Law, welches besagt, dass die Kommunikationsstrukturen einer Organisation die Systemarchitektur, die diese Organisation entwirft, maßgeblich beeinflussen.

2. Produktorientierung

Seit 2023 verschmelzen im Rahmen des UPGRADE Programms des IT-Systemhauses der BA die Enterprise-IT und die Online-IT zu sogenannten Produkteinheiten. So wanderte die Verantwortung für den Online-Antrag des Kindergeldes und den Fachverfahren im Backend in eine gemeinsame Produkteinheit, während Online und Fachverfahren vorher organisatorisch getrennt lagen.
Und damit kommen wir zum Schrank.
Das Schrankgehäuse mit der Bügelstange wird durch den Portalrahmen und die IT-Architektur bereitgestellt, die Garderobe, die in den Schrank gehängt wird, durch die Produkt-Organisationen.
Der Schrank besteht aus einem Rahmen und einer Kleiderstange (sogenannten Architektur-Leitplanken). Er stellt sicher, dass die Garderobe (Produkte) in der IT effizient erstellt, bereitgestellt und betrieben werden können. Zu den Leitplanken gehören beispielhaft Sichterheit, Datenschutz, Wirtschaftlichkeit.
Aber die Verantwortlichkeit für die Garderobe hat der Produktbereich, egal ob es sich um einen Leistungsantrag mit dahinterliegenden Fachverfahren, ein Selbsteinschätzungs-Angebot oder ein Informationsangebot handelt. In der Garderoben-Metapher heisst das: ob es ein Anzug, ein Kleid oder ein Kostüm ist, bestimmt der Produktbereich.
Auf das Leben der BA projeziert handelt es sich bei den Produkten um Beratung, Vermittlung oder Geldleistungen wie Bürgergeld, Kindergeld, Kurzarbeitergeld oder Informationen für Jugendliche oder Hinweise zu möglichen Förderungen der Weiterbildung.
Die entsprechenden Produktbereiche definieren die Funktion der Produkte und gestalten diese im Rahmen der Leitplanken so, dass sie dann an die Kleiderstange passen.
Ein Produkt besteht meist nicht nur aus einem Onlineteil sondern auch aus einem Fachverfahren. Auch da passt die Metapher, denn ein Anzug, der in den Schrank gehängt wird besteht aus Jacke und Hose.

3. BA-IT gestaltet sich abhängig von der BA-Strategie

Mit dem Bild der Befüllung erkennt man auch, dass die Metapher des Schranks nicht ausreicht.  Wer den Kleiderschrank und gibt an, welche Garderobe verfügbar sein muß?
Dazu erweitert sich das Bild um das Haus, in dem der Schrank steht. Hier wohnen die Besitzer, welche sagen, welche Aufgaben die Garderobe erfüllen muß, welche Dimensionen der Schrank hat und ob mehrere Schränke erforderlich sind. In der Abbildung auf die BA sind es der Vorstand, die Geschäftsführung und die Fachbereiche, die die Aufgaben vorgeben, welche mit der IT umgesetzt werden können. Neue Gesetze und Bestimmungen müssen umgesetzt werden, so ändert sich die Garderobe im Schrank, äh, die Produkte der IT.

4. Neue Liefermodelle der BA-IT

Die Kleidung, die an der Kleiderstange hängt dient als gutes Beispiel für neue Liefermodelle. Im Gegensatz zu der Garderobe, die in Schubladen gefaltet und eingefügt werden muß, ist der Anzug an der Stange nur mit Hilfe eines Bügels an der Stange aufgehängt. Dieses Kleidungsstück…Verzeihung: dieses Produkt… erfüllt damit gute Voraussetzungen für neue Liefermodelle, bei denen nur geringe Verzahnungen und wenn möglich über standardisierte API-Schnittstellen mit dem übrigen IT-System bestehen.
REST-Schnittstellen und asynchrone Kommunikation bieten alle erforderlichen Werkzeuge, um Produkte von externen Dienstleistern fertigen zu lassen und in Eigenverantwortung als Managed Service in den Kleiderschrank einhängen und betreiben zu lassen.
Einzig der Rahmen der BA-IT, die Kleiderschrank selber, wird in Eigenleistung erstellt, weiterentwickelt und betrieben.

5. Wenn der Schrank zu voll wird, muss ausgemistet oder angebaut werden.

Wie zuhause kann man nicht beliebig neue Kleidung in Schrank hängen, der irgendwann zu voll ist. Dies trifft auch auf den Rahmen in der IT zu. Einerseits gibt es die managbare Obergrenze von Organisationen, die eine Begrenzung der Größe bedeutet, andererseits muss man fachlich entscheiden, ob die Produkte alle zusammen gehören. Wie in der Metapher kann es einen großen Schrank für die Eltern geben und einen kleinen Schrank für die Kinder.
In der BA bedeutet das zum Beispiel ein Portal für die Bürger und Unternehmen in dem sich informieren und Leistungen in Anspruch nehmen und ein anderes Portal für die Mitarbeiter in dem sie zum Beispiel die für sie angebotenen internen Personal-Services in Anspruch nehmen.
Damit besteht die Möglichkeit für die Verwaltung immer wieder zu evaluieren, ob die Struktur der Portale zu der strategischen Ausrichtung zu der Verwaltung passt.