Gelassenheit
„Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“
Diese Worte sprach der Theologe Reinhold Niebuhr und fasst damit die wichtigen Aussagen in einem Satz zusammen.
- Gelassenheit ist dann nötig, wenn man etwas hinnehmen muss, was man nicht ändern kann.
- Gelassenheit bedeutet nicht, Dinge hinzunehmen, die man ändern könnte.
- Gelassenheit erfordert Stärke
Ich gehe auf die einzelnen Punkte nachfolgend ein:
Gelassenheit ist dann nötig, wenn man etwas hinnehmen muss, was man nicht ändern kann
Gelassenheit ist eine Einstellung, die zu allen Situationen eine gleichmütige Haltung bewahren läßt. Wenn der Weg zum Ziel rechts herum und links herum gehen kann, so wird meine Gelassenheit dazu führen, dass jeder Weg, der gewählt wird, mit meiner vollen geistigen und körperlichen Unterstützung beschritten wird.
Wenn ich zum Beispiel für den nächsten Tag ein Picknick geplant habe und morgens aufwache und feststelle, dass es regnet und kalt ist, so ist meine Gelassenheit die Kraft, die mich nicht mit Gereiztheit und Stress an das ausgefallene Picknick denken lässt, sondern mich dazu bringt, mit Freude über eine schöne Alternative im Trockenen nachzudenken.
Wenn mich mein Arbeitskollege dazu bringen möchte, eine Aufgabe mit seinem Ansatz zu lösen, und ich einen anderen Ansatz gewählt hatte, so schätze ich ab, ob beide Ansätze zum Ziel führen und gehe gegebenenfalls seinen Weg. Damit lasse ich keine Energie in Konflikte fliessen, der Arbeitskollege hat ein gutes Gefühl durch die Wahl seines Ansatzes und ein anderes Mal, wenn es mir wichtig ist, kann ich gewiss meinen Weg mit seiner Unterstützung zu gehen.
Sollte allerdings mein Weg meiner objektiven Überzeugung nach der bessere sein, bei dessen Verzicht erhebliche Verluste einträten, so müsste ich allerdings darum kämpfen. Wäre ich gleichgültig, so täte ich nichts. Bin ich gelassen, so kämpfe ich um meine Überzeugung. Stellt sich heraus, dass ich meine Überzeugung nicht umsetzen kann, so tritt wiederum die Gelassenheit in die Arena und läßt mich dieses akzeptieren.
Die Schwierigkeit, die es den Menschen unmöglich macht, Gelassenheit zu erlernen, ist es die Balance zu finden, zwischen dem Hinnehmen und Kämpfen. Irgendwann muss ich eine Entscheidung treffen, ob die Situation unveränderlich ist oder nicht. Dies wird in der Regel durch das Bauchgefühl, durch das Unterbewußtsein gemacht. Die bewusste Reaktion darauf ist dann eine Kopfreaktion. Da die erste Entscheidung aus dem Bauch kommt, kann sie nicht erlernt werden. Der Bauch gewinnt an Erfahrung. Dazu komme ich im letzten Kapitel.
Gelassenheit bedeutet nicht, Dinge hinzunehmen, die man ändern könnte
Verwechselt nicht die Gelassenheit mit Gleichgültigkeit. Gelassenheit bedeutet ausschließlich Dinge, die nicht zu ändern sind hinzunehmen.
Gelassenheit bedeutet auch, Dinge zu erkennen, die nur mit viel Aufwand und negativen Energiebilanzen zu erreiche sein. Dann halte ich mich davon fern.
Gleichgültigkeit ist die Eigenschaft, immer die Wege der anderen mitzugehen. Wer gleichgültig ist, hat einen Hang zum Opportunismus.
Dem Gleichgültigen ist es egal, wohin er geht, welches Ziel er erreicht, und ob er das Ziel erreicht. Er wertet den von ihm beschrittenen Weg in keiner Hinsicht.
Dem Opportunen ist es egal, welchen Weg er geht, solange auf dem beschrittenen Weg seine Ziele erreicht werden. Er stellt also Zweckmäßigkeit über die Wertvorstellung.
Gelassenheit erfordert Stärke
Stärke ist notwendig zu erkennen, ob in einer Situation Gelassenheit oder Beharren von Nöten ist. Ich wünsche mir immer wieder diese Stärke, wenn ich vor Entscheidungen stehe, die Konflikte mit sich bringen. Ist es der Konflikt wert, ihn einzugehen? Ist das Nachgeben in einer bestimmten Situation gleichgültig oder gelassen? Meist entscheide ich aus dem Bauch heraus und kann im nachträglichen Betrachten der Situation erkennen, was mich in die eingeschlagene Richtung bewegt hat. Diese nachträgliche Betrachtung bringt einem viel Wissen über sich selbst.
Ist jemand in der Lage Dinge gelassen zu sehen und ist er losgelöst von Stress und Gereiztheit, dann ist er in einem Zustand, der ihn Nahe an die Glücklichsten Zustände des Buddhisten bringt. Gelassenheit kann einen Menschen nahe ans Nirwana herantragen.
„Nirwana ist die endgültige Dimension des Lebens, ein Zustand von Gelassenheit, von Frieden und Freude. Es ist kein Zustand, den du nach deinem Tod erlangst. Du kannst Nirwana jetzt gleich beim bewussten Atmen, Gehen und Teetrinken berühren“
Das sagte der Taoist Thich Nhat Hanh in seinem Werk „Das Glück einen Baum zu umarmen“
Der Taoismus beschreibt das Wu-Wei, als den Weg des Nicht-Handelns. Auf die Gelassenheit projiziert bedeutet dies, dass die Energie nicht in die Handlung fließen solle, die Dinge in einen Zustand zu bringen, den diese nicht annehmen wollen.
Alles hat einen Zustand in dem es sich gerade befindet und einen Weg auf dem es sich bewegt. Dort ist es spontan aufgehoben und es wird im Taoismus als ethisch richtig erachtet, ihm diese Spontaneität zu lassen.
Wege zur Gelassenheit
Gelassenheit ist keine Kunst, die man erlernen kann. Man findet den Weg und die Weisheit, sie zu leben mit der Zeit. Nicht über Seminare oder Kurse, sondern über Selbsterkenntnis nähert man sich dem Pfad zur Gelassenheit. Erfahrung und viele Entscheidungen, egal ob richtig oder falsch, links oder rechts, gut oder schlecht reichern den Schatz an Erkenntnis an. Da das Bauchgefühl die Gelassenheit stark beeinflusst ist hier wenig Verstand und Ration im Spiel. Also sollte man sich nicht zwingen, gelassen zu sein. Gelassenheit kommt, wenn die Zeit dafür reif ist. Man befindet sich spontan im Zustand der Gelassenheit, der angemessen ist.
Buchempfehlungen
Das Wunder der Gelassenheit. Mit Buddha durch den Alltag gehen (Lotos) von Nancy O’Hara
Wu wei von Theo Fischer
Tao Te King. Das Buch vom Sinn und Leben von Laotse und Richard Wilhelm