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Kierkegaard, der Clown und die Kunst des Zuhörens in der Arbeitswelt

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Kierkegaard, der Clown und die Kunst des Zuhörens in der Arbeitswelt

In der heutigen schnelllebigen Arbeitswelt, geprägt von ständigen Meetings, parallelen Kommunikationen in E-Mails, Teams, Zoom, Telefon und Kurznachrichten, offenbart sich ein Phänomen, das der dänische Philosoph Søren Kierkegaard bereits im 19. Jahrhundert erkannte: Wir hören nicht wirklich zu. Diese Problematik illustrierte er mit einem Gleichnis über einen Clown.

Der Clown und das brennende Dorf

Die Parabel erzählt von einem Clown, der verzweifelt in ein Dorf läuft, um die Bewohner vor einem Feuer zu warnen. Die Dorfbewohner, gewohnt den Clown als Unterhalter zu sehen, applaudieren und lachen über seine dramatische Darstellung, überzeugt davon, dass es sich um eine neue Nummer handelt. Je eindringlicher der Clown warnt, desto mehr amüsiert sich das Publikum – bis die Flammen das Dorf erreichen und es zu spät ist.

Diese Geschichte veranschaulicht ein tiefgreifendes Problem unserer Kommunikation: Wir hören oft nur das, was wir zu hören erwarten, gefiltert durch unsere vorgefassten Meinungen und Erwartungen. In der modernen Arbeitswelt manifestiert sich dieses Problem täglich in Interaktionen im Team und darüber hinaus.

Selektives Hören als Hindernis für echtes Teamverständnis

In Unternehmen ist das selektive Hören weit verbreitet. Mitarbeiter warten in Gesprächen oft nur auf bestimmte Triggerwörter, die ihren eigenen Denkrichtungen oder Interessen entsprechen. Dieser selektive Fokus verhindert ein umfassendes Verständnis des Gegenübers und seiner Anliegen. Ähnlich wie die Dorfbewohner, die nur den Clown und nicht seine Warnung sahen, erkennen Teammitglieder häufig nur jene Aspekte einer Kommunikation, die in ihr bestehendes Weltbild passen.

Kierkegaards Philosophie bietet hier wertvolle Einsichten. Für ihn war wahre Kommunikation stets an die Subjektivität gebunden – ein Gedanke, der in der heutigen Arbeitswelt oft verloren geht. Subjektivität bedeutete für ihn, dass echtes Verstehen nur möglich ist, wenn wir uns auf die subjektive Wahrheit des anderen einlassen, statt ausschließlich in objektiven Kategorien zu denken.

Die existenzielle Dimension des Zuhörens

Kierkegaards existenzieller Ansatz fordert uns auf, über oberflächliches Hören hinauszugehen. Echtes Zuhören bedeutet, sich auf die Existenz des anderen einzulassen – seine Sorgen, Hoffnungen und Perspektiven ernst zu nehmen. In der Arbeitswelt würde dies eine tiefgreifende Veränderung der Kommunikationskultur erfordern.

Wenn wir in Meetings, Teamgesprächen oder Mitarbeiterbewertungen nur auf jene Aspekte achten, die unsere eigenen Vorstellungen bestätigen, gleichen wir den Dorfbewohnern, die im Clown nur die Unterhaltung sahen. Wertvolle Warnungen, innovative Ideen oder kritische Perspektiven gehen so verloren.

Von Kierkegaard lernen: Authentisches Teamverständnis

Die Überwindung des selektiven Hörens erfordert einen bewussten Perspektivwechsel. Kierkegaards Betonung der Subjektivität legt nahe, dass wir zunächst unsere eigenen Filter und Vorannahmen erkennen müssen. In Teams bedeutet dies, die eigenen Erwartungen und Interpretationsrahmen bewusst zu hinterfragen.

Ein Team, das Kierkegaards Einsichten folgt, würde eine Kultur des authentischen Zuhörens entwickeln. Diese umfasst:

1. Das Bewusstsein für eigene Vorurteile und Filter in der Kommunikation
2. Die Bereitschaft, die subjektive Perspektive des anderen zu erkunden
3. Das Aushalten von Mehrdeutigkeit und Widersprüchen
4. Die Anerkennung existenzieller Dimensionen der Arbeit jenseits funktionaler Aspekte

Der Clown in uns: Missverständnisse überwinden

Die Clown-Metapher verdeutlicht auch die Schwierigkeit, in verschiedenen Rollen wahrgenommen zu werden. Mitarbeiter, die in bestimmte berufliche Schubladen gesteckt wurden, erleben oft, dass ihre Beiträge durch diese Linse gefiltert werden – ähnlich wie der warnende Clown, dessen ernste Botschaft nicht durchdringen konnte.

In der modernen Arbeitswelt müssen Teams lernen, über diese vorgefassten Rollenbilder hinauszusehen und wirklich zuzuhören, was der andere mitteilen möchte, unabhängig von Position, Vorgeschichte oder zugeschriebener Rolle.

Fazit: Der Weg zu einem tieferen Teamverständnis

Kierkegaards Philosophie und die Clown-Parabel bieten wertvolle Lektionen für die moderne Arbeitswelt. Sie erinnern uns daran, dass wahres Zuhören eine existenzielle Dimension hat – es geht nicht nur um den Austausch von Informationen, sondern um die Anerkennung des Anderen in seiner Subjektivität.

Wenn wir aufhören, nur selektiv zu hören, und anfangen, uns wirklich auf unsere Teammitglieder einzulassen, können wir nicht nur Missverständnisse vermeiden, sondern auch ein tieferes Verständnis und eine authentischere Zusammenarbeit erreichen. Die Überwindung des selektiven Hörens ist damit nicht nur eine kommunikative, sondern auch eine ethische Aufgabe, die das Potenzial hat, unsere Arbeitsbeziehungen grundlegend zu transformieren.

 

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