Philosophisches zur Retro: Die Skepsis
„Wer aber vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart.“
Friedrich von Weizsäcker
„Aus der Vergangenheit zu lernen um in der Zukunft zu leben“ bedeutet, daß man Erkenntnisse aus der Vergangenheit gewinnen muß, um diese Erkenntnisse dann für Verbesserungen in der Zukunft einzusetzen.
Dafür sind einige Voraussetzungen erforderlich. Die frühen Philosophen Plato und Aristoteles formulierten das so: „Man muß Freude am Erstaunen und eine Neugierde an Neuem haben.“
Und es bedarf einer Bereitschaft anderen zuzuhören, andere Sichten einzunehmen ohne diese zu teilen.
Aber sind die neuen Erkenntnisse auch immer richtig ?
Diese Fragen stellten bereits die frühen Philosophen der Skepsis. Einer von Ihnen war Pyrrhon von Elis. Aber dazu später mehr.
Die Skepsis ist das Hinterfragen von Erkenntnissen. Bei einer Retrospektive wird Vergangenes Betrachtet um daraus Verbesserungen für die Zukunft zu erzielen. Bei eineer solchen Retro hilft die Skepsis Erkenntnisse und Vorgehensweisen zu hinterfragen, um aus den durch das Hinterfragen gewonnenen Erkenntnissen, Vorgehensweisen in der Zukunft zu verbessern.
Es gibt verschiedene Arten von Skepsis.
Dieses Hinterfragen kann absolut erfolgen (Es ist falsch!) oder methodisch (Ist es wirklich falsch?)
Beide Varianten der Skepsis hinterfragen Erkenntnisse, aber mit unterschiedlichen Zielen:
Methodische Skepsis hinterfragt, um die Erkenntnisse zu verbessern, um zur Wahrheit zu gelangen.
Absolute Skepsis bezweifelt immer, dass es eine richtige Erkenntnis gibt.
Nietzsche sagte: Es gibt keine objektive Wahrheit, sondern nur subjektive Wahrheiten, immer aus der Sicht der einzelnen.
Und hier kommen wir an einen wichtigen Punkt: Jeder Einzelne hat eine eigene Sicht auf die Vergangenheit. Somit werden bei Retros viele verschiedene Sichten aufkommen. Jede Sicht ist valide und kann erst in Kombination mit den anderen Sichten die umfassende Wahrheit bringen.
Rene Descartes hat damals erkannt, dass die absolute Skepsis sich am Ende selbst in Frage stellt. „Wenn alles, was ich denke, falsch ist, so ist doch wahr, dass ich denke. Dies kann nicht bezweifelt werden“ Damit hat er mit der methodischen Skepsis seine Philosophie weiterentwickelt.
Pyrrhon von Elis hatte bereits als griechischer Philosoph die Skepsis in seinen Werken bereits um 300 v. CHr. beschrieben: Alle Menschen sehen die Dinge anders, jeder aus seiner Sicht.
Die Sichten übereinander zu legen und einen Kompromiss zu finden ist eine ständige Herausforderung und begegnet uns in vielen Situation im Alltag.
Um dabei erfolgreich zu sein, ist es erforderlich, Dogmatismus zu vermeiden.
Sextus Empiricus, griechischer Philosoph im 2. Jhd. n. Chr. schildert seine Erkenntnis dazu so „Wenn man den Dogmatismus ablegt, mit dem man an seiner Sicht festhält, erlangt man die Seelenruhe (griechisch: Ataraxia).
Für unsere tägliche Arbeit ist die methodische Skepsis sehr wichtig, in der man ohne Dogmen und Festhalten an Positionen hinterfragt und dabei auch andere Sichten akzeptiert. Es ist eine Herausforderung zwischen den Polen der absoluten Skepsis und einem fehlenden Hinterfragen die Balance zu finden.
Für das Hinterfragen müssen wir uns in die Perspektive anderer Menschen versetzen.
Ich schliesse diesen kurzen Exkurs mit Willi Brandt „Die demokratische Ordnung verlangt außerordentliche Geduld im Zuhören und außerordentliche Anstrengung sich gegenseitig zu verstehen“.
Willi Brandt sagte hier richtig, dass das gegenseitige Verstehen anstrengend ist. Voraussetzung sind die Bereitschaft und die Fähigkeit dazu.
Wenn man eine Retrospektive einsteigt, muß man aus seiner Burg heraustreten, seine Verkleidung ablegen, sein Herz öffnen und offen die Sicht anderer anhören und versuchen diese zu verstehen.